Mittwoch, 15. Januar 2014

Industrielle Landwirtschaft und ihre Folgen

Die Demonstration am Samstag den 18. Januar 2014 in Berlin widmet sich unter anderem folgenden Themen. Demonstriert wird im Großen und Ganzen gegen die industrielle Agrarwirtschaft und für eine dezentrale, bäuerliche, ökologische und nachhaltige Landwirtschaft. Wer genaueres zum Programm erfahren will, klickt hier: 
http://www.wir-haben-es-satt.de/ . 
Inhaltlich geht es um die folgenden Aspekte, die alle mehr oder weniger direkt eine Folge der heutigen Form der Wirtschaft insbesondere der Landwirtschaft sind oder mit ihr in Verbindung stehen. 

HUNGER
Etwa alle drei Sekunden stirbt ein Mensch auf diesem Planeten an Unterernährung. Jeder Dritte davon ist ein Kind. Am Tag sind das 25.000-30.000 Menschen. 

Der Hungertod ist ein grausamer und langsamer Weg zu sterben. Nachdem alle Zucker- und Fettreserven aufgebraucht wurden, bricht das Immunsystem zusammen. Es folgen Durchfallerkrankungen, Mundparasiten und Infektionen der Atemwege, die mit schrecklichen Schmerzen verbunden sind. Danach beginnt der Raubbau der Muskulatur. Die Arme hängen schlaff herab. Der Mensch kann sich nicht mehr auf den Beinen halten. Wenn die letzte Kraft schwindet, kommt der Tod. 

Und Obwohl die Gesamtheit der allein in Europa vergeudeten Nahrungsmittel ein Vielfaches der weltweit Hungernden sättigen könnte, litten 2010 926 Millionen Menschen an Unterernährung und Hunger. Das sind fast 10% mehr als 20 Jahre früher. Im Jahre 1990 hungerten weltweit 843 Millionen Menschen. Das wichtigste der Millenniums-Entwicklungsziele, "den Anteil der Menschen zu halbieren, die Hunger leiden", wird damit 2015 definitiv nicht erreicht werden. 

SPEKULATION
Wir, die reichen und privilegierten dieser Welt, geben etwa 12% unseres Einkommens für Nahrungsmittel aus. In ärmeren und ärmsten Ländern liegt dieser Anteil bei 45%-80%. Damit sind die, die es am wenigsten verkraften können, am stärksten den schwankenden Lebensmittelpreisen ausgesetzt. Und diese entwickeln sich prächtig.

Um die Jahrtausendwende befand sich der Index der Lebensmittelpreise auf einem historischen Tief. Das absolute Minimum markierte der 11.September 2001. Doch seit diesem Datum schießen die Preise in die Höhe und haben sich in den letzten zehn Jahren mindestens verdoppelt. Grund dafür ist unter anderem der Goldman Sachs Commodity Index (GSCI). Dieses Anlageinstrument basiert auf einem Rohstoffpreis-Index und wurde 1991 von der Investmentbank Goldman Sachs erstmals angeboten. Der neue Spekulationssektor etablierte sich schnell und umfasst heute Kapitalanlagen von mehr als 300 Milliarden US-Dollar. Die so in die Höhe getriebenen Rohstoffpreise verschärfen die Lage von Millionen am Rande des Existenzminimums lebender Menschen. Während sich also die einen ihr täglich Brot nicht mehr leisten können, suhlen sich die skrupellosen Investoren in ihren hervorragenden Renditen. 

LEBENSMITTELSKANDALE
Immer wieder hört man Berichte von verseuchten Lebensmitteln, von Giftstoffen und Erregern in der Nahrung. In den USA beispielsweise erkranken jedes Jahr 48 Millionen Menschen auf Grund von verseuchtem Essen. 3.000 von ihnen, mehrheitlich Kinder, sterben.

INDUSTRIALISIERTE MASSENTIERHALTUNG
Das Bestreben Hühnern, Schweinen und Rindern größere Käfige, mehr Auslauf und frische Luft zu sichern ist zweifellos ein lobenswertes und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, jedoch völlig unzureichend. Das Problem der hochtechnologisierten Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen, liegt tiefer. Die durch "natürliche" Zucht und neuerdings auch durch manipulierte Gene designten kommerziellen Hochleistungsrassen, sind nichts anderes als ein perfides vom Menschen entwickeltes Mittel zur Ausbeutung der Natur und ihrer Geschöpfe. Der Fachbegriff dafür lautet: Qualzucht.

Vor allem die Fleischrassen leiden an Stoffwechselstörungen. Ihre Muskeln wachsen schneller als das Skelett, sodass es häufig zu verkrüppelten Gliedmaßen und schlichtweg zu Fortbewegungsunfähigkeit kommt. Andere Leiden reichen von Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle, über chronische Organentzündungen bis hin zu Verhaltensstörungen. 40% der Milchkühe leiden an schmerzhaften Eutererkrankungen. Diese und viele andere Beschwerden führen zu starken chronischen Schmerzen, die das Leben eines Nutztieres in den "normalen" Verhältnissen der heutigen "Landwirtschaft" zu einer absoluten Qual machen.

EU-SAATGUTVERORDNUNG
Der Entwurf dieser Verordnung, der im Mai letzten Jahres veröffentlicht wurde, wird scharf kritisiert und es ist nicht klar wann er in Kraft treten soll. Dieser Fall tritt hoffentlich niemals ein, denn die neuen Regeln würden die Abhängigkeit der europäischen Lebensmittelproduktion von internationalen Agrarmultis weiter stärken. Vorgesehen sind sehr teure, amtliche Zulassungen für Saatgut, sowie Verbote für den privaten Austausch und den Anbau von eigenen Samen. Diese und weitere Maßnahmen ebnen den Weg für Monsanto, Syngenta und Co., um auch noch die verbliebene Hälfte des europäischen Marktes unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Erhalt von alten, vielfältigen Sorten, sowie von Öko-Züchtungen würde durch die Verordnung erschwert oder gar verhindert werden. Im Endeffekt stellt die geplante Regelung eine Bedrohung der Artenvielfalt und des kulturellen Erbes der Menschheit dar. 

BIENENSTERBEN
Die drei wichtigsten Nutztiere des Menschen sind das Rind, das Schwein und die Biene. Die immense Bedeutung dieses kleinen Insekts wird schnell vergessen, obwohl der Mensch in unmittelbarer Abhängigkeit von ihr lebt. 90% der weltweiten Nahrungsmittelproduktion basiert auf der natürlichen Befruchtung von Pflanzen durch Bienen. Doch die Tiere sind sehr gefährdet. Jährlich sterben ein Drittel der Bienenvölker in Europa und den USA. Grund dafür sind aggressive Pflanzenschutzmittel wie Insektizide, Monokulturen sowie durch die Globalisierung sich weltweit verbreitende Krankheitserreger. Sollten die Bienen aussterben, wird der Mensch mit ihnen gehen.

GENTECHNIK
Chemiekonzerne wie Monsanto, die seit einiger Zeit auch gentechnisch veränderte Pflanzen entwickeln und vermarkten, rühmen sich mit großartigen Versprechen: "Wir [wollen]  Landwirtschaft wirklich nachhaltig gestalten. Nachhaltige Landwirtschaft heißt verbesserte Lebensqualität". Aus dem Kontext gerissen ist das eine sehr sinnvolle Aussage. Doch im Zusammenhang mit Monsanto ein geschmackloser Witz. Monsantos Methoden sind umweltschädlich und alles andere als nachhaltig. Außerdem ruinieren sie die Bauern und das Problem des Hungers wird auch nicht gelöst. Monsanto trägt eher zur weiteren Verschärfung der Lage bei, da die meisten der genmanipulierten Pflanzen nicht in den Mägen der Unterernährten sondern in Futtertrog, Tank und Kleiderschrank landen. Die blumigen Visionen der Agrarmultis sind somit reine Werbelügen.

LAND GRABBING
Dieser Begriff bezeichnet nichts anderes als eine neue Form des Kolonialismus und der feudalen Ausbeutung. Unter dem Deckmantel von "sozial verantwortlichen Investitionen" kaufen bzw. pachten Staaten, Unternehmen und Privatpersonen halbe Länder auf, ohne Rücksicht auf die örtliche Bevölkerung zu nehmen. Die meist unter wenig transparenten Bedingungen verhandelten Ackerflächen, werden mit intensiven Anbaumethoden bebaut und die Erträge oft für den Export genutzt. Der oft armen, eingeborenen Bevölkerung fehlen diese Flächen. Doch die wehrlosen Bauern können den internationalen Investoren nichts entgegensetzen. Allein in den letzten beiden Jahren haben so etwa 20 Millionen Hektar afrikanischer Boden den Besitzer gewechselt. Die sozialen und ökologischen Konsequenzen sind katastrophal, doch entscheidend ist einzig und allein das verdiente Geld. Und wer das besitzt hat auch die Macht.

Quellen:
"Cola, Reis & Heuschrecken. Ernährung im 21. Jahrhundert", Edition Le Monde diplomatique, No. 10 2011
http://magazine.uc.edu/issues/0912/kowalcyk.html
http://www.mmnews.de/index.php/i-news/15414-gegen-eu-saatgutverordnung-nur-noch-4-tage
http://globalmagazin.com/themen/kultur/ohne-bienen-verhungern-die-menschen/
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/saatgutverordnung-der-eu-tiefschlag-fuer-hobbygaertner-1.1666512

Montag, 6. Januar 2014

Leder und Pelz

Es ist wirklich erschreckend, was auf Kosten der Natur, Tiere und Menschen getrieben wird, damit wir uns möglichst billig schmücken können. 
Und am Ende bezahlen wir selber für dieses Übel, weil scheinbar noch nicht einmal der Endverbraucher von den Auswirkungen sämtlicher Chemikalien aus der Herstellung verschont bleibt.

Die Dokumentation zeigt sehr treffend, welche Folgen ein System hat, in dem alles vernetzt ist und dennoch so untransparent bleibt, dass niemand mehr den Überblick behalten kann. Weil "der Profit lockt" (Film), wird diese Situation so ausgenutzt, dass die aktuelle Weltwirtschaft Krankheit und Tod über einen Großteil der Welt bringt. 
Und keiner ist so richtig und alleine Schuld daran. 
Schließlich wird jeder verdrängt, der die Situation nicht ausnutzt. 

Aber wir haben die Wahl:
Entweder laufen wir weiter jeden Winter mit dem trendigsten Pelzmäntelchen herum und verdrängen seinen blutigen Weg bis in unseren Kleiderschrank -
oder aber wir wehren uns so gut es geht dagegen, dass Menschen und Tiere mit ihrem Leben dafür bezahlen, dass unser angeblich unendliches Konsumverlangen gestillt wird.



Mittwoch, 1. Januar 2014

Angora

Ein schwerer Ammoniakgeruch liegt in der Luft. Es stinkt nach Fäkalien. Es ist dreckig und alles ist von einer soliden Schicht aus Staub und feinen Haaren bedeckt. Bis auf ein leises Knabbern und gedämpfte metallische Geräusche herrscht Stille. Die Halle ist gefüllt mit 
langen Reihen aus eisernen Konstruktionen und schmalen, geraden Gängen dazwischen. 
Aus einer Ecke sind menschliche Tritte zu hören. Am Ende einer der Gänge erscheint ein Arbeiter mit einem Holzgestell unter dem Arm, das er in die Mitte des Ganges stellt. Es besteht aus einer schmalen Latte, die auf vier Beinen befestigt ist, und sieht aus wie eine Art Bock. Eine Miniatur-Streckbank. 
Der Mann öffnet eine der kleinen Gittertüren. Er greift hinein und nach einigen Sekunden zerrt er ein weißes, zappelndes Knäuel hinaus.

Ein Kaninchen. Mit langen, flauschigem Fell. Es ist ein Angorakaninchen. Der Name stammt von der sogenannten Angoraziege, die aus der türkischen Provinz Ankara -damals noch Angora- stammt. Das Fell der beiden Tiere weißt gewisse Ähnlichkeiten auf, sodass man den Namen einfach übernahm. Mittlerweile bezeichnet der Begriff Angora jedoch offiziell nur noch die Wolle des Kaninchens. Aus den feinen, gut wärmenden Fasern kann ein Garn gesponnen werden, welches -meist in Kombination mit anderer Wolle- zu Textilien verarbeitet wird. 

Mit der einen Hand packt der Arbeiter das Tier im Nacken und hält es fest. Mit der anderen zieht er eine Kordel aus der Tasche, mit der er geschickt eine feste Schlinge um die Vorderbeine legt. Das Tier wird auf den Bock gelegt und die Beine an das Brett gefesselt, sodass das Tier in einer gestreckten Position fixiert ist. 

Für Kaninchen ist das eine schreckliche Erfahrung. Sie sind Fluchttiere und immer in Bereitschaft vor etwaigen Fressfeinden zu fliehen. Sich Hinlegen oder gar Vorder- und Hinterläufe ausstrecken tun sie nur, wenn sie sich wohl und absolut sicher fühlen. Gewaltsam in die Länge gezogen und auf ein Brett gebunden zu werden ist sicherlich für kein Tier ein Vergnügen. Aber für Kaninchen stellt diese Situation eine besondere Qual dar.

Doch die eigentliche Tortur hat noch gar nicht begonnen. Nachdem das Tier nun also erfolgreich festgebunden worden ist, nimmt der Arbeiter auf dem freien Stück des Brettes hinter dem Tier platz und beginnt mit flinken, energischen Bewegungen Büschel um Büschel des weißen, weichen Fells herauszureißen. Während das sich windende Tier, von Schmerzen gequält, markerschütternde Schreie von sich gibt, schwindet der feine Pelz im Sekundentakt und nackte, rosafarbene Haut kommt zu Vorschein.

Manchmal werden die Kaninchen auch geschoren oder das Fell wird abgeschnitten, wobei die zappelnden Tiere jedoch auch oft verletzt werden. Trotzdem ist Schneiden und Scheren weniger schmerzhaft als Ausreißen. Und obwohl diese etwas tierfreundlicheren Methoden existieren, fiel die Wahl -wie so oft aus rein wirtschaftlichen Gründen- auf das Rupfen. Es geht schnell, fordert keine gelernten Arbeitskräfte oder teure Maschinen und bringt außerdem noch höhere Erträge. Kurz: Die effizienteste sowie denkbar abstoßendste Art der Wollgewinnung.

Nach dieser folterähnlichen Prozedur, bei der nur Pfoten, Schwanz und Kopf der Tieres verschont blieben, wird die völlig entstellte Kreatur in ihren Käfig zurück gesetzt. In eine Art Schockstarre verfallen, kauert das Tier in einer Ecke. Außer ein paar apathischen Bewegungen, bleibt es regungslos. Während es sich so von seiner Behandlung erholt, widerfährt seinen Artgenossen in den Käfigen rechts und links und über und unter und vor und hinter ihm das Gleiche: Fesseln, Streckbank, Rupfen. 

Eine solche "Fellernte" findet für zwei bis fünf Jahre etwa alle drei Monate statt. Danach werden die Tiere geschlachtet und gehäutet. Auch das Leder wird verkauft. 
Im Jahr "produziert" ein Angorakaninchen bis zu 1430g Wolle. Früher waren es gerade einmal um die 400g. Doch durch gezielte Züchtung konnte dieser Wert fast vervierfacht werden, sodass wertvolle Exemplare guter Rassen nun solche Höchstleistungen erbringen. Oftmals handelt es sich dabei um Qualzuchten.
Weltweit gibt es fünf Rassen: Das Englische, Französische, das Deutsche, das Giant Angora (amerikanisch) sowie das Satinangorakaninchen. 

Die Ursprünge der Rassen sind nicht bekannt, doch man geht davon aus, dass die Tiere im späten 18. Jahrhundert von England nach Deutschland kamen, wo sie lange eine wirtschaftliche Rolle spielten. So wurden 1941 noch etwa 25.000 Angorakaninchen zu kommerziellen Zwecken gehalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Produktion von Angorawolle noch ein wichtiger Wirtschaftszweig der DDR, doch nach und nach verlor sie auch dort an Bedeutung. Die neu aufkommenden, deutlich billigeren Kunstfasern verdrängten die Wolle vom Markt. 

Wie man es von zahlreichen anderen Industriezweigen kennt, wurde die "Herstellung" in Europa zu teuer, sodass sich die heutigen Produktionsstätten größtenteils in Asien befinden. 90% der weltweit vertriebenen Angorawolle stammt aus China. Einem Land, in dem keinerlei gesetzliche Bestimmungen über den Umgang mit Tieren oder Strafen für Tierquälerei existieren. 
Schätzungen zufolge sind es etwa drei bis fünf Millionen Angorakaninchen, die in chinesischen Pelzfarmen ihr Dasein fristen.

Damit das Fell möglichst unversehrt bleibt, werden die Tiere in Einzelhaft gehalten. In Käfigen, die nicht größer als ein halber Quadratmeter sind. Drei blanke Wände, eine schräge Decke (Rampe für die Fäkalien des Tieres darüber), eine Gittertür mit Futterklappe und ein Spaltenholzboden. Diese Kästen befinden sich, zu mehreren Stockwerken über einander gestapelt und in ordentlichen Reihen aufgestellt, in riesigen, fabrikähnlichen Hallen. 

Hier wird Angora für die ganze Welt hergestellt. Industrialisiert, effizient und konkurrenzfähig. In einem Wort: Billig. Eben genau das, was der europäische Verbraucher erwartet. Zwei Paar Socken für vier Euro. Eigentlich ein bisschen zu teuer, oder nicht?




Quellen: 
http://www.peta.de/Angora
http://www.sueddeutsche.de/panorama/grausames-fellabziehen-hm-und-ca-wollen-angora-kleidung-verbannen-1.1830440
http://www.youtube.com/watch?v=Zjd_xdpGKbc
http://de.wikipedia.org/wiki/Angora
http://de.wikipedia.org/wiki/Angorakaninchen

Hinweis: Dieser Artikel ist keine wissenschaftliche Arbeit. Er enthält narrative Elemente.